Walforma – es war doch ein längerer Weg. Angefangen hat alles im Mai 2017. Unsere Geschäftsidee, der sogenannte „Freitagsmarkt“, entstand an unserer Schule vor über 20 Jahren als eine Elterninitiative. Auch ein kleiner Pausenverkauf für Schülerinnen und Schülern unsere Schule war hier integriert. Doch das Projekt „Freitagsmarkt“ sollte aufgegeben werden.
Wir als Schülerinnen und Schüler wollten dies natürlich nicht einfach hinnehmen und fingen an nach Lösungen zu suchen. Als wir das Konzept der Schülergenossenschaft entdeckten war klar: das machen wir! Es würde bedeuten wir können weiterhin freitags einkaufen und wir können viel lernen und ausprobieren. Doch genau damit bahnte sich auch schon unser erstes Problem an. Wir standen vor Fragen wie: „Was ist eine Schülerfirma überhaupt?“ ,”Was darf man in einer Schülerfirma machen?“, „Welche Rechtsform ist für uns die Richtige?“, „Dürfen uns die Eltern noch beim Verkauf helfen?“ und vielen weiteren Herausforderungen...
"Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele!"
Dieser Satz Friedrich Wilhelm Raiffeisens beschreibt das Wesen einer Genossenschaft wohl am besten. In unserer Schülergenossenschaft leben wir diesen Gedanken, der bereits über 200 Jahre alt ist. Der Grundgedanke der beiden Gründer Friedrich W. Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch beschreibt nicht nur das Herz unserer Genossenschaft, sondern jeder Genossenschaft weltweit. Für uns ist dieser Satz auschlaggebend. Er findet sich in unserer Arbeitsweise und unserem Zusammensein wieder.
Dementsprechend ist die Schülergenossenschaft für uns die beste Möglichkeit unsere Werte und Ziele zu erreichen: Gemeinsam Projekte entwickeln und zu gestalten. Wir haben uns als eingetragene Genossenschaft dem genossenschaftlichen Gedanken verpflichtet. Großgeschrieben wird hier Solidarität, Hilfe zur Selbsthilfe und das Erreichen gemeinsamer Ziele genauso, wie das nachhaltige und somit zukunftsfähige Wirtschaften. Außerdem zu guter Letzt - jedoch nicht zu unterschätzen - die Gestaltungsmöglichkeit jedes Einzelnen in einer Genossenschaft durch Ihre demokratischen Grundstrukturen. Dazu gehört z.B, dass in unserer Genossenschaft alle Schüler/innen sich klassen übergreifend auf Augenhöhe begegnen.
Das Konzept bewährt sich! Seit knapp zwei Jahren bildete sich heraus was wir heute sind: Eine erfolgreiche Schülergenossenschaft, welche zusammen mit ihrem Genossenschaftspaten, der Mainzer Volksbank und unseren Partnern und Lieferanten Biobäckerei Kaiser, Johanneshof Bender und Demeter Hof Lehnmühle strahlend in die Zukunft schaut.
Es hat sich bei uns ergeben, da die Motivation eine Schülergenossenschaft zu gründen, von uns Schülern ausging, dass wir größtenteils lehrerunabhängig arbeiten. Unser begleitende Pädagoge Dr. Torsten Meyer Oldenburg steht uns zwar mit Rat und Tat zu Seite, bleibt damit aber stehts im Hintergrund, um uns unseren Freiraum zu ermöglichen. Er ist vor allem die Vermittlung zwischen Kollegium und Schülern/Innen.
Dank dieser Freiheiten genießen wir die Arbeit bei Walforma sehr. Außerdem führt es dazu, dass wir automatisch unsere „soft skills“ erweitern. So sind selbständiges Arbeiten, verantwortungsvolle Organisation, Kommunikation, Verlässlichkeit und ein gutes Miteinander unabdingbar, also „lernen fürs Leben“. Daraus entwickeln sich z.B. die Organisation unserer repräsentativen Auftritte auf der Rheinlandpfalzmesse 2019, dem Raiffeisentag der Schülergenossenschaften in Koblenz, auf dem Schulbasar, dem Sommerfest oder bei der Teilnahme des Führungskräfteseminars in Montabaur sowie die Vertretung des Projektes eSG auf der Eröffnungsveranstaltung der Gründerwoche des BmWi´s.
Dies sind Fähigkeiten, welche uns später immer von großem Nutzen sein werden, egal welche Richtung der persönliche Weg nimmt.
Durch die Strukturierung als Genossenschaft erreichen wir, dass Walforma nicht von einzelnen Personen abhängig ist, sondern ältere Schüler ihr Wissen an die Jüngeren weitergeben und so die Schülergenossenschaft noch über mehrere Jahre wachsen kann. Aus diesem Grund wird der neue Vorstand bei uns über ein Jahr begleitet und eingearbeitet, so können wir das Bestehen und die hohen Standards unserer Schülerfirma garantieren. Deswegen bezieht sich Nachhaltigkeit bei uns nicht nur auf Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit. Wir möchten das Bewusstsein für eine ökologische Nachhaltigkeit fördern, denn das ist etwas, dass uns bei Walforma besonders wichtig ist. Somit verkaufen wir auf unserem Markt ausschließlich ökologisch nachhaltige Produkte! Außerdem versuchen wir ein erweitertes Bewusstsein zu schaffen, indem wir in Aktionen Produkte anbieten, die etwas an die Umwelt zurückgeben. Zum Beispiel haben wir im Frühjahr Vogelhäuser verkauft, diese wurden von der 5. Klasse im Rahmen eines Vogelschutzprojekts gebaut. Auch sind unsere Tüten und Verpackungen ausschließlich aus Recyclingpapier und unsere Werbeprodukte durch eine C02 Kompensation ausgeglichen. Gleiches gilt hierbei auch für unsere Reisen, welche wir im Rahmen von Walforma antreten. Hier geht es vor allem darum zu lernen, was ganz konkret im Alltag an Umweltschutz möglich ist. Zudem verkaufen wir wiederverwendbare Brotsäcke, um dazu zu animieren Einwegverpackung zu sparen.
Walforma ist ein klassenübergreifendes Projekt.
Mitmachen können Schüler/innen der Klassen 7-13. Unsere Schülergenossenschaft ist wie folgt aufteilt: Der Vorstand beruft in jeder Abteilung einen oder mehrere Abteilungsverantwortlichen, die für die Abteilung zuständig sind und diese leiten. Die Abteilungsleitung ist für ihr Personal verantwortlich. Innerhalb der Abteilungen laufen die Entscheidungsprozesse demokratisch ab. Während in allen Abteilungen ausschließlich Schüler/innen die Positionen besetzen ist der Aufsichtsrat das einzige Organ, in welchem wir Erwachsene in unserer Schülerfirma eingegliedert haben. Hier nutzen wir die Chance von den Erfahrungen der Erwachsenen zu profitieren und wir haben immer Ansprechpartner, an die wir uns mit unseren Fragen wenden können.
Wie leitet man überhaupt ein Unternehmen? Wie organisiert man eine Abteilung? Wie funktioniert Werbung? Wie müssen wir unsere Steuern zahlen? Dies alles sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen und beschäftigt haben. Unsere Erkenntnisse geben wir weiter und stellen so sicher, dass auch wir uns stetig fortbilden. In diesem Zusammenhang haben wir im Rahmen des Genossenschaftsverbandes, Verband der Regionen e.V. auch schon landesübergreifende Workshops zur digitalen Buchhaltung und Digitalisierung in einer Schülerfirma gehalten. Unsere Vision ist es sich deutschlandweit mit anderen Schülerfirmen zu vernetzten und so im Austausch voneinander zu profitieren, stets nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe.
Die klassenübergreifende Arbeit bedeutet für uns in unserem Firmenalltag auch, dass alle Ideen gehört werden. Jeder kann sich im gleichen Maße einbringen und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist besonders wichtig. Dies beschränkt sich nicht nur auf unsere internen Prozesse, sondern ist auch der Leitfaden in der Zusammenarbeit mit unseren Geschäftspartnern. Dies trägt ungemein zu unserer Motivation bei, da man so Wertschätzung für die geleistet Arbeit erlebt und lernt die Arbeit von anderen wert zuschätzen.
All dies und vieles mehr sind Dinge, die wir mit Walforma erleben und ermöglichen.
Neben dem Betrieb des Freitagsmarktes hat sich im Laufe der Entwicklung des Projektes ein weiteres wichtiges Merkmal herausgebildet: Die ökonomische Bildung!
In einer kapitalistisch geprägten Gesellschaft kommt das Thema der ökonomischen Bildung und der Umgang mit Geld oft zu kurz. Dabei ist Geld doch eines der wichtigsten Instrumente unserer Marktwirtschaft. Den Umgang mit Geld zu beherrschen und zu verstehen, empfinden wir als essenziell, um sich in der heutigen Gesellschaft frei bewegen zu können. Dabei liegt unser Fokus nicht auf der Gewinnmaximierung! Wir wollen ein tieferes Verständnis für unser heutiges Wirtschaften vermitteln, damit dieses auch kritisch hinterfragt werden kann. Hinzu kommt, bei den Schülerinnen und Schülern ein Verständnis zu schaffen warum Unternehmen bestimmte Entscheidungen treffen und wie solche Entscheidungsfindungen überhaupt ablaufen. All dies ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Thema Wirtschaft wollen wir „anfassbar“ machen und spielerisch die Schülerinnen und Schüler an dieses Thema ranführen.
Hierfür entwickeln wir Konzepte, die unsere praktische Arbeit in der Schülerfirma mit theoretischem Wissen unterlegen. Dabei zeigen wir, dass unsere Prozesse in ähnlicher Form auch in großen Unternehmen vorzufinden sind.
Diese binden wir durch Projekttage in den Schulalltag ein. Die Projekttage gestalten und organisieren wir selbstständig und sie sind eine willkommene Abwechslung. Denn anders als viele Schülerfirmen, mit denen wir bis jetzt Kontakt hatten, gibt es an unserer Schule keine festen Unterrichtstunden für das Projekt. Daraus ergibt sich, dass unsere gesamte Arbeit in unserer Freizeit fällt. Bei den Projekttagen bearbeiten wir anstehende Themen, setzten uns mit Wirtschaft und ökonomischer Bildung auseinander und suchen nach Konzepten, um allen Schülern und Schülerinnen unserer Schule spielerisch ökonomische Bildung näherzubringen.
Da unsere Arbeit bei Walforma vollständig in unserer Freizeit stattfindet, sind wir permanent damit beschäftigt unsere Arbeitsweisen effektiver zu gestalten. Unerlässlich ist dabei die Digitalisierung!
Wir versuchen möglichst viele Prozesse beispielsweise beim An- und Verkauf oder in der Buchhaltung zu digitalisieren, um schneller und effizienter arbeiten zu können. Auch im Marketing präsentieren wir uns digital. Unserer Kunden können über Social Media (Instagram und Google) und über unsere Website mit uns in Verbindung treten und erfahren so schnell von all unseren Aktivitäten. Digital können wir alle unsere Dokumente wie Rechnungen oder Protokolle jederzeit abrufen und so besser für die Zukunft planen und auch hier unser Wissen und unsere Erfahrungen weitergeben.
Als letzten Punkt möchten wir den Schülerinnen und Schülern mitgeben, dass Geld mehr als nur ein Kapital des eigenen Glückes ist. Wir möchten schon früh dafür sensibilisieren, dass Teilen und etwas in die Gesellschaft zurückzugeben enorm wichtig ist. Deswegen Spenden wir ca. ein Drittel unseres Gewinnes, das sind ungefähr 900 Euro.
Zur ökomischen Bildung gehört unserer Ansicht nach auch der Bezug zur realen Welt. Wie oben erwähnt legen wir Wert auf das Verstehen von Prozessen und Strukturen. So sind wir eng verbunden zu Partnern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
Die Mainzer Volksbank, als unser Genossenschaftspate, steht uns hier bei allen finanziellen Fragen zu Seite. Zudem können wir gemeinsam mit ihnen erleben, wie größere Genossenschaften organisiert sind. Sie spiegeln wieder, wie die Gedanken von Schulze-Delitzsch nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen Genossenschaften tief verwurzelt sind.
Für unseren Markt braucht es jedoch auch einen Bäcker. Hier haben wir die Biobäckerei Kaiser für uns gewinnen können. Neben der Belieferung mit frischen Backwaren engagieren sie sich bei der Gestaltung unserer Workshops und geben uns exklusive Einblicke in ihre Firmenabläufe.
Immer wieder wird uns auch bewusst wie wichtig es ist den Kontakt zur Politik zu halten. Gerade bei Neuerungen wie Bon-Pflichtigkeit und neuen Steuergesetzten ist es für uns enorm wichtig ein wachsames Auge auf das aktuelle politische Gesehen zu haben. Hierzu gehört natürlich die Kontaktpflege mit den örtlichen Abgeordneten aber auch der enge Kontakt zum Verband um so immer auf dem neusten Stand der Dinge zu sein.
Hier sehen wir, dass es kein einseitiges Verhältnis zwischen uns und den Entscheidungsträgern unseres Landes haben, sondern eine Zusammenarbeit von beiden Seite geprägt werden kann. So werden auch unsere Ideen und Vorschläge ernst genommen.
Zusätzlich lernen wir wie wichtig Kooperation und Absprache sind, da wir unseren Markt zusammen mit dem Johanneshof Bender und dem Demeter-Hof Lehnmühle gestalten. Das wichtigste ist somit die frühzeitige und regelmäßige Kommunikation, verantwortungsbewusstes Arbeiten sowie eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit. So profitieren alle Seiten von diesen Erfahrungen und der Zusammenarbeit.
Zusammengefasst bedeutet all dies, dass Walforma für uns die Möglichkeit ist, demokratische und ökonomische Bildung unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zu verbinden!